Von Klaus Maiwald, Luisa
Ullrich-David und Clemens Babock
Karl Abel (Mitte, stehend)
im Kreise seiner Familie im Jahr 1916. (Foto: © SN pr.)
Karl Abel, am 10. Februar
1897 in Obernkirchen geboren, stammte aus einer achtköpfigen Bergarbeiterfamilie.
Armut und Entbehrung waren ständige Begleiter der Familie. Diese Erfahrungen
veranlassten Abel, sich zeitlebens für die Benachteiligten der Gesellschaft
einzusetzen. Im Kriegsausbruchsjahr 1914 trat Abel der Gewerkschaft und
1916 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei. Im gleichen Jahr kam auch
seine Einberufung ins Heer. Als Soldat war er auf dem Balkan und in Frankreich
eingesetzt. Kurz und bündig fasste Abel diese Zeit in seinen 1963
aufgeschriebenen Erinnerungen zusammen: „Ich blieb Schütze in der
zweiten Reihe und legte auf Lametta keinen Wert.“ In den ersten Nachkriegsjahren
teilte der gelernte Schuhmacher mit vielen Zeitgenossen das Schicksal der
Arbeitslosigkeit. In den heimischen Kohlengruben im Schaumburger Land arbeitete
Abel bis 1926 als Bergmann unter Tage. Abel wurde aber auch politisch tätig.
1921 trat er der KPD bei, in der er seine Ziele am besten zu verwirklichen
glaubte. Geprägt von den Kindheitserlebnissen in einer armen Arbeiterfamilie
setzte er sich besonders für eine Verbesserung der Lebensbedingungen
gerade für diese Bevölkerungsschicht ein.
Vom Bergarbeiter zum Abgeordneten
1924 wurde Abel in den
Obernkirchener Stadtrat gewählt, und ab 1926 war er auch Abgeordneter
im Kreistag der Grafschaft Schaumburg. Das Schwimmbad im Sonnenbrink, der
Ankauf des Sparkassengebäudes sowie die Neuregelung der Stromversorgung
durch einen Vertrag mit dem Gesamtbergamt Obernkirchen gehen auf Abels
Initiativen zum Wohle seiner Heimatstadt Obernkirchen zurück.
„Sie haben mich zertrampelt“
Die Folgen der Weltwirtschaftskrise
1929/30 waren auch deutlich in Schaumburg zu spüren. Häufig war
Abel in Demonstrationen und Schlägereien zwischen Kommunisten und
den aufstrebenden Nationalsozialisten verwickelt. Ab 1924 bis 1933 saß
Abel ebenfalls als Abgeordneter im Preußischen Landtag in Berlin.
Als Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler am 30.1.1933 zum Reichskanzler
ernannte, begann Abels Leidenszeit, die erst zwölf Jahre später
mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.5.1945 enden sollte.
In seinen Erinnerungen beschreibt Abel detailliert, wie er von den Nationalsozialisten
regelmäßig verhaftet, misshandelt und bis zur Besinnungslosigkeit
gefoltert worden ist. Originalton Abel: „Sie haben mich zertrampelt, bis
der Mastdarm austrat.“ Bereits am 12.2.1933 wurde das KPD-Mitglied Abel
in Wesermünde, dem heutigen Bremerhaven, verhaftet. Sein Leben bis
zum Kriegsende war geprägt von permanenten Einlieferungen in Gestapo-Gefängnisse
und Einweisungen in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Es erübrigt
sich zu erwähnen, unter welchen unmenschlichen Bedingungen, die Abel
fast zum Selbstmord trieben, er diese Zeit überstand. Nie konnte er
sich über eine längere Zeitspanne in Freiheit erfreuen. Aber
auch diese Zeit war an harte Auflagen der Gestapo geknüpft. Um sich
eine Lebensexistenz als Schuhmacher in Obernkirchen zu sichern, legte Abel
die Meisterprüfung ab, die zunächst allerdings an den Schikanen
der NS-Behörden zu scheitern drohte. Seit 1938 lebte Abel bis zu seinem
Tod als selbstständiger Schuhmachermeister in der Langen Straße
25 in Obernkirchen. Doch in diesem Jahr (1938) kam Abel zum ersten Mal
ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Seiner Entlassung im Januar 1940
folgte bereits im Februar die Einberufung zur Wehrmacht. Bereits Ende 1941
wurde Abel wegen seiner schweren Erkrankungen, die Folgeschäden seiner
zahlreichen Inhaftierungen waren, aus dem Heer entlassen.
Ganze Energie für den Wiederaufbau
Kaum hatte er wieder
seine Tätigkeit als Schuhmacher aufgenommen, wurde Abel zum Katastropheneinsatz
ins zerbombte Hannover beordert. Nach weiteren Verhaftungen, unter anderem
ins Polizeigefängnis Rinteln, landete Abel erneut im Konzentrationslager
Sachsenhausen. Ende April 1945, das Ende der NS-Diktatur war nur noch eine
Frage der Zeit, wurden die letzten Häftlinge Sachsenhausens auf einen
„Todesmarsch“ Richtung Ostsee getrieben. Am 3. Mai 1945 wurden Abel und
seine Mithäftlinge von der Roten Armee der Sowjetunion in der Nähe
von Schwerin befreit. Im Juni 1945 sah Karl Abel nach abenteuerlichen Irrfahrten
durch das zerstörte Deutschland seine Heimatstadt Obernkirchen wieder.
Die Besatzungsmächte suchten jetzt nach Männern, die als ehemalige
Verfolgte ein demokratisches Deutschland aufbauen sollten. Zu ihnen gehörte
Karl Abel, der sich sofort für den Wiederaufbau seines Landes zur
Verfügung stellte. Zunächst als Stadtrat Obernkirchens und als
Kreistagsabgeordneter der KPD im Amt, wurde der von Folter und Entbehrungen
stark gezeichnete Abel 1946 von der britischen Besatzungsmacht in den neuen
niedersächsischen Landtag und am 23.11. 1946 in die erste Landesregierung
berufen.
Karriereende nach KPD-Verbot
Er bekleidete das Amt
des Ministers für soziale Angelegenheiten. Seine größte
Leistung als Minister war sicherlich das Jugendarbeitsschutzgesetz. 1948
kam es zum Zerwürfnis mit Ministerpräsident Kopf und in Konsequenz
zu Abels Rücktritt als Minister. Dennoch blieb er bis 1951 Landtagsabgeordneter
und beschränkte sich anschließend auf die Kommunalpolitik in
Schaumburg. Aber auch diese Karriere nahm ein betrübtes Ende. Als
die Bundesrepublik 1956 die kommunistische Partei verbot, wurden Abel,
trotz aller Verdienste, die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Die
„Kommunistenhatz“ der fünfziger Jahre im Zeichen des Kalten Krieges
unterschied nicht zwischen den Idealen Abels und dem Kommunismus Stalinscher
Prägung. Als Abel am 27. April 1971 im Alter von 74 Jahren starb,
erhielt er ehrende Nachrufe von der Stadt Obernkirchen und dem Landkreis
Grafschaft Schaumburg. Auf die Aberkennung seiner bürgerlichen Ehrenrechte
und seine Leidenszeit unter den Nationalsozialisten wurde aber nirgends
eingegangen.
Das erste niedersächsische
Landeskabinett 1946 mit Karl Abel (stehend, links). (Foto: © SN pr.)
Schüler setzen sich
für Gedenkplakette ein
Geschichtswerkstatt erhält
ersten Preis für Projekt
Im Zuge eines Schülerwettbewerbes des Niedersächsischen Landtages anlässlich der 50. Wiederkehr der Gründung des Landes Niedersachsen 1996 haben sich zwei Jungen und drei Mädchen der Geschichtswerkstatt der Herderschule Bückeburg mit dem ersten aus Schaumburg stammenden Minister des Landes Niedersachsen beschäftigt. Ihre Wettbewerbsarbeit wurde mit einem ersten Preis honoriert, die Preisübergabe erfolgte im Landtag zu Hannover.
Die Schülergruppe
setzte sich erfolgreich für eine Gedenkplakette an Abels Haus in Obernkirchen
ein, die an Abels 100. Geburtstag, den 10. Februar 1997, angebracht wurde.
Sie hat damit einen fast vergessenen Politiker rehabilitiert, wozu die
Verantwortlichen der Stadt Obernkirchen nicht gewillt waren. Der Text der
Plakette lautet: „In diesem Haus wohnte von 1936 bis zu seinem Tod der
Schuhmachermeister Karl Abel (1897-1971). Als Abgeordneter der KPD war
er bis 1933 im Stadtrat, im Kreisrat und im Preußischen Landtag in
Berlin tätig. Unter den Nationalsozialisten verbrachte er leidvolle
Jahre in Konzentrationslagern. Karl Abel war nach dem Krieg von 1946 bis
1948 der erste Schaumburger Minister im neu gegründeten Land Niedersachsen.“
Inzwischen liegen auch Karl Abels Lebenserinnerungen vor. Er selbst hatte
verfügt, sie erst 30 Jahre nach seinem Tod für die Öffentlichkeit
freizugeben, u.a . auch aus Rücksichtnahme gegenüber den Interessen
damals noch Lebender. Das 1963 abgeschlossene Manuskript ist 2008 im Verlag
für Regionalgeschichte Bielefeld als Band 67 der Schaumburger Studien
im Auftrag der Historischen Arbeitsgemeinschaft für Schaumburg erschienen.
Das Buch, herausgegeben von Christian Heppner, trägt den Titel „Als
Sozialist und Kommunist unter vier Regimes.“
Quelle: © Schaumburger Nachrichten vom 14.03.09